Das Angeln ist bei uns eine Familientradition
Wie vielleicht viele Generationen vor mir, habe auch ich noch das Angeln mit Wurm begonnen:
Als Kinder fischten wir mit Schwimmer oder einem Stückchen Kork an der Schnur, und fingen unsere ersten Forellen ohne Angelerlaubnis am Dorfbach. Doch dabei blieb es nicht lange:
Mein Vater zeigte mir und meinem Bruder alles was wir wissen mussten, erklärte uns Knoten, Montagen, Wobbler und Spinner. Er nahm uns mit zur Angelmesse und ans Wasser. Mein Bruder und ich wuchsen mit dem Wasser und der Angel auf. Mit der Stipprute am Meer schärften wir unsere Reaktionen und lernten „wie ein Fisch zu denken“. Mein Vater lebte uns das Angeln vor und wenn er einen großen Fisch fing, wurden Freunde eingeladen und ein Fest gefeiert – Angeln hatte viele schöne Seiten!
Mit der Spinnrute die Welt erkunden
Die Naturköderjahre mit Köderfisch und Wurm gingen vorüber und ich entdeckte das Spinnfischen für mich: Eine extrem effektive Angelmethode, bei der man große Wasserflächen „absuchen“ und zu jeder Jahreszeit etwas fangen kann. Hier ließ sich das Bewegen in freier Natur und das Erkunden neuer Landschaften mit dem Angeln verbinden. Herrlich.
Egal ob auf dem Schüleraustausch in Kanada, während der Arabienaufenthalte im Studium, oder als Abendbeschäftigung auf Dienstreisen …im Urlaub sowieso: die Angel war immer mit dabei, und ich fing wunderbare Fische, lernte interessante Menschen kennen und erlebte die Landschaft auf die schönste mir bekannte Art.
Ich freute mich an hochwertigen japanischen Ruten und Rollen und bewunderte ausgefeilte Wobbler und Gummifische. Viele meiner schönsten und größten Fische verdanke ich dieser Angelmethode. Doch irgendwie „suchte“ ich weiter: Ich begann, meine eigenen Köder zu bauen, erkundete ständig neue Gewässer, andere Fische… irgendwann war dann die Luft raus, ich hatte den Eindruck in einer Sackgasse zu sein, es gab nichts wirklich Neues mehr. Es ging nur noch um den Fisch, ein Tag ohne Fisch war ein schlechter Tag, das Angeln selbst verlor an Reiz.
Fliegenfischen
…jetzt wirds kitschig
Als dann ein Urlaub im Balkan anstand und mir klar war, dass ich die smaragdgrünen Flüsse dort nur mit der Fliegenrute fischen konnte, begann ich intensiv mit der Fliegenrute zu üben – und da war sie wieder: die Freude am Angeln!
Ich hoffe ich werde jetzt nicht zu philosophisch oder kitschig, aber es hat mich voll erwischt:
Im Nachhinein kommt es mir vor als hätte ich die dritte Dimension entdeckt oder erst jetzt gemerkt, dass die Welt farbig ist! Wer diese Fliegenfischer-Freude selbst noch nicht gespürt hat, dem kann man es nicht erklären. Jahrelang wurde mir das immer und immer wieder gesagt, aber ich konnte dem Fliegenfischen nichts abgewinnen.
Eine Fliege fängig zu präsentieren, ist tatsächlich mehrdimensionaler als das Werfen eines Wobblers. Der Fliegenfischer nimmt seine Umgebung detallierter wahr: Wo steht welches Hindernis, wie weht der Wind, wie fließt das Wasser? Wie bringe ich meine Schnur aufs Wasser, und wie wird die Strömung sie abtreiben um die Fliege dann in der richtigen Postition zum Fisch zu bringen…? Den Biss bei einer Nymphe zu erspüren oder zu erahnen, oder bei einer Trockenfliege den Anschlag zum richtigen Zeitpunkt richtig zu dosieren, all das geht irgendwann in Fleisch und Blut über, und es ist schön! Ich erlebe das Angeln viel intensiver.
Und auch die Veränderungen in der Natur nimmt man deutlicher war, und beginnt sich auch für Details zu interessieren: Wann schlüpft welches Insekt, welche Wassertemperatur führt zu welchen Veränderungen? Wie verändert sich die Nahrung der Fische über das Jahr? Ihre Aktivitätszeiten? Ihre Standplätze usw….
Erfolgreich mit der Fliegenrute
Anfangs versuchte ich unterbewusst, mit der Fliegenrute das Spinnfischen zu imitieren, aber insbesondere im schnellen Wasser blieben die Erfolge aus. Bis mir klar wurde, dass eine völlig andere herangehensweise notwendig ist. Dadurch, dass die Köder kleiner sind, werden sie von den Fischen nicht als Reaktionsbiss genommen und die Fische verlassen ihre Standorte weniger stark als bei großen Ködern. Die „richtige“ Beute muss viel genauer imitiert werden und der Standplatz des Fisches viel präziser getroffen werden. Einen Fisch „herauszulocken“, wenn er einfach nicht will, ist beim Fliegenfischen äußerst schwierig bis unmöglich (glücklicherweise kommt das selten vor).
Hat man aber die Fliege oder die Technik der Stunde gefunden, kann man manchmal selbst nicht glauben, mit welcher Vehemenz die Fische nun attackieren – ein wunderbarer Moment der Bestätigung und die Belohnung für Ausdauer, gute Beobachtung und den richtigen „Fischer-Instinkt“.
Gewässer- und Fischvielfalt
Das Fliegenfischen eröffnet einem Zugang zu Gewässern in allerschönster Natur und es ist extrem vielseitig! Egal ob Barsch, Rotfeder, Forelle, Döbel oder Barbe, sie alle lassen sich mit der Nymphe fangen. Selbst Karpfen sind möglich. Auf Streamer beissen Hecht und Rapfen, Meerforelle und Lachs, und viele der kampfstärksten Meeresfische. Die Möglichkeiten sind unendlich.
Tackle und Fliegen
Fliegenruten sind oft mehrfach geteilt und sind ein unkomplizierter Begleiter auf Reisen. Zwar sind Ruten und Rollen im Schnitt teurer, aber auch deutlich hochwertiger! Mit Vosseler und RST gibt es sogar noch Hersteller in Deutschland, und auch sonst gibt es zahlreiche hochwertige Hersteller in Europa, den USA und Neuseeland. Diese Ruten und Rollen halten länger, und sind nicht als „Wegwerfartikel“ produziert worden. Schon dem hochwertigeren Kork im Griff sieht man dies an. Ersatzteile und Reparaturen sind meist möglich, und es spricht nichts gegen ein langes gemeinsames Anglerleben.
Seine Fliegen selbst zu binden ist dann sicher das i-tüpfelchen des Fliegenfischens. Und es ist eine schöne Beschäftigung an den Winterabenden, an denen Seen und Flüsse zugefroren sind, und eine anglerische „Zwangspause“ angesagt ist. Beim Fliegenbinden sind die Gedanken schon beim nächsten Angelabenteuer und die Vorfreude ist fast so schön wie das Angeln selbst.