Gelegentlich werden in Angelforen und Whatsapp-Gruppen von Fischern schockierende Zeitungsartikel geteilt, in denen über saftige Strafen für Angler berichtet wird, die Fische zurückgesetzt haben. Das Feindbild ist schnell ausgemacht – hinter den Anzeigen stecken Tierrechtler wie die Organisation PETA. Und es wird immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, dass Catch & Release in Deutschland verboten ist, die Emotionen kochen hoch, Angler werfen anderen Anglern vor, die Gesetze zu brechen und damit das Angeln in Verruf zu bringen. Doch was ist daran richtig, und was falsch?

Hand aufs Herz: Welcher Fischer hat sich mit den medial ausgeschlachteten Gerichtsverfahren genauer befasst, und welcher Fischer hat das Fischereirecht in all seiner Detailhaftigkeit überhaupt einmal ganz gelesen?

Ich selbst habe mich auch erst in den letzten Jahren näher damit befasst und bin offen gestanden etwas schockiert darüber, wie falsch viele Kollegen mit ihrer Einschätzung liegen.

DARF man Fische zurücksetzen?

Ja man darf! Es ist relativ offensichtlich, sollte aber dennoch einmal betont werden! Untermaßige und geschützte Fische MÜSSEN i.d.R. sogar zurückgesetzt werden! Der Gesetzgeber geht also offenbar davon aus, dass Fische grundsätzlich überlebensfähig sind, auch wenn sie einmal einen Haken im Maul hatten. Diese Einschätzung ist auch vielfach belegt, sowohl in der fischereilichen Praxis durch wiederholtes und fotografisch dokumentiertes Fangen des gleichen Fisches, wie auch durch wissenschaftliche Studien.

Erstmals wurden in diesen Studien auch Durchschnittswerte für die Überlebensrate zurückgesetzter Fische ermittelt, und die Einflussfaktoren genauer ermittelt (Dauer der Luftexposition, Fischart, Wassertemperatur, Hakengröße etc.). Diese Studien wurden bislang vorwiegend an Karpfen und Hechten durchgeführt, sind jedoch in ihren Grundaussagen auf andere Arten übertragbar: je kürzer der Fisch ausserhalb des Wassers ist, desto höher die Überlebensrate, bei guter Behandlung nahe 100%. (Hühn & Arlinghaus 2011)

Damit ein Fisch möglichst wenig Schaden nimmt, man ihn bei Bedarf rasch wieder entlassen kann, ist zu Schonhaken zu raten und dazu, den Fisch möglichst im Wasser zu lassen – ein großer Kescher ist dabei hilfreich. Auch die Vorzüge eines gummierten Keschernetzes wurden in vielen Zeitschriftenbeiträgen bereits behandelt. Die Schleimschicht bleibt intakt, der Fisch behält seinen natürlichen Schutzmantel.

Der Sinn und Zweck des Angelns

Die Diskussion entzündet sich jenseits der wissenschaftlichen Fakten zur Überlebensrate von gefangenen Fischen dann häufig an der Frage, welchem Zweck das Fischen denn eigentlich dient, und es wird gerne auf das Naturschutzgesetz verwiesen in dem steht :

Bundesnaturschutzgesetz, Kapitel 5, §39(1) (auch TschG §1):

Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten.

Doch was ist ein vernünftiger Grund und warum fischen wir denn eigentlich? Gerne wird behauptet, nur der Nahrungserwerb sei ein vernünftiger Grund, weshalb immer das Ziel verfolgt werden müsse, jeden Fisch zu verwerten, der verwertet werden darf. Das Zurücksetzen eines verwertungsfähigen Fisches sei also nicht erlaubt, weil der vernünftige Grund fehle. Im Gegensatz dazu betonen die meisten Fischer, dass Ihnen neben dem materiellen Aspekt des Fangs auch das Naturerlebnis als Ganzes, das „sich einstellen“ auf die Bedingungen am Wasser, das Lesen von Gewässerstrukturen und Strömungen und das Überlisten des Fisches große Freude bereitet. Dazu kommen soziale Aspekte, wie z.B. die Tatsache, dass Angeln eine Beschäftigung ist, die unabhängig vom Alter Menschen fasziniert. In Vereinen arbeiten Junge und Alte zusammen, die Jugend wird in der Gewässerökologie geschult und deren Sinne geschärft für Veränderungen in unserer Umwelt. Spätestens mit 18 Jahren machen Fischer eine staatlich anerkannte Prüfung, die neben der fischereilichen Praxis einen umfangreichen Teil an biologischem und rechtlichem Wissen abfragt!

Im Fischereigesetz Baden-Württemberg, und in ähnlicher Weise auch in den Gesetzen anderer Bundesländer, heisst es:

FischG, Dritter Abschnitt, Ausübung des Fischereirechts §13(1):

Das Fischereirecht darf nach den anerkannten fischereilichen Grundsätzen nur so ausgeübt werden, daß die im und am Wasser lebende Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensgemeinschaften und Lebensstätten nicht mehr als notwendig beeinträchtigt werden.

In den Kommentaren zum Fischereirecht Baden-Württemberg, die von den Juristen Karremann & Laiblin 2004 verfasst wurden, wird der §13 umfangreich diskutiert. Es werden die Grundsätze der Angelfischerei dargelegt, die sich aus der Gesetzgebung ableiten, wie z.B. das bereits angesprochene „sorgfältige Behandeln und Zurückversetzen noch lebensfähiger geschützter Fische“ (S.104).

Die Autoren sind auch der Auffassung, dass dem §13(1) nicht entgegensteht, „wenn insbesondere der Angelfischer weniger vom Nahrungserwerb als vom Fangerlebnis motiviert die Fischerei ausübt“ (Karremann & Laiblin 2004: 104). Betont wird dabei aber auch, dass „dies nicht dazu führen darf, dass die Natur einschließlich der Fische zum „Objekt bloßer Instinktbefriedigung [] degradiert wird“ werden darf.

Der goldene Mittelweg

Wie so häufig, ist das richtige Maß gefragt! Alle Fische aus “Tierliebe” oder zum “Wohle der Fischbestände” wieder schwimmen zu lassen ist

Einen Fisch zum Essen zu entnehmen, sollte immer Teil des Angelns bleiben.

dabei genauso falsch, wie jeden Fisch mitzunehmen, der gerade das Schonmaß erreicht hat. Selbstgefangener Fisch zum Verzehr ist ökologisch und im Sinne des Tierwohls weitaus sinnvoller als jedes Fischfilet aus dem Handel, egal ob MSC, Bio-Aquakultur o.ä. Und in der Regel sogar gesünder, denn nicht selten sind Meeres- und Zuchtfische stark mit Pestiziden belastet.

Schaut man sich die Urteile von Richtern genauer an, führte dann auch nie die reine Tatsache, DASS ein Fisch zurückversetzt wurde, zur Strafe/Buße, sondern immer die ART UND WEISE und die Motivation mit der dies geschah. Welsangler, die einen Fisch in der Nacht fangen, und ihn mit einer Leine durch die Kiemen am Ufer befestigen um im Tageslicht besser wiegen und messen zu können, werden ZURECHT wegen Tierquälerei bestraft! Insofern sind zwar die Hetzkampagnen von PETA absolut zu verurteilen, die Urteile werden aber nicht von PETA, sondern von Richtern gefällt. Diese haben in allen mir bekannten Fällen auf Basis unserer Gesetze mit gesundem Menschenverstand geurteilt.

Jemand, der einen Fisch für ein kurzes Foto aus dem Wasser hebt, hat am Ende des Tages keinen Schaden angerichtet. Viele Fotos, die in Zeitschriften und im Internet kursieren zeigen, dass die Mehrheit der Fischer einen schonenden und respektvollen Umgang mit dem Tier pflegen. Dabei sollte der historisch gesehen ursprüngliche Zweck des Angelns – einen Fisch zum Verzehr zu fangen – immer Teil des Angelns bleiben.

Welche Fische SOLLTE man zurücksetzen?

Diese Frage ist nur gewässerspezifisch zu beantworten! Einen Aal in der Donau wieder schwimmen zu lassen weil er auf der Roten Liste steht, ist Unfug. Im Neckar dagegen absolute Pflicht! Gewässersystem, Produktivität und Befischungsdruck spielen bei der Beantwortung dieser Frage die entscheidende Rolle.

Ein produktives, privates Forellenbächlein mit wenig Angeldruck verträgt fast jegliche Entnahme (zum Eigenverzehr) durch die wenigen Fischer, während ein kleines Bächlein im Mittelland, für das es Tageskarten gibt, wohl kaum ohne sehr hohe Schonmaße (und entsprechend großen Anteil an zurückgesetzten Fischen) eine Population von Forellen aufrechterhalten kann.

An den Zuläufen des Forggensees haben Bachforellen ein Schonmaß von 60cm um die aufsteigenden Seeforellen zu schützen, die bei dieser Größe gerade erst einmal abgelaicht haben. Jedes Gewässer braucht seine eigene Regelung und wer, wenn nicht die Fischer, hätten ein Interesse eine gesunde Population zu erhalten?

Studien von der Arbeitsgruppe um Prof. Arlinghaus haben gezeigt, dass große Laichfische für eine Population ungemein wichtig sind. Hechte von einem Meter und Bachforellen mit 50cm sind also (auch hier: je nach Gewässer) nicht zwangsläufig „alt“ und „unproduktiv“, wie ein Fischzüchter vielleicht argumentieren würde. Große Fische sind erfahren, haben lange und erfolgreich im Gewässer überlebt, schlagen tiefe Lauchgruben (im Fall der Salmoniden) und haben größeren Laich, d.h. der Brütling startet stärker in sein Leben, verkraftet eher eine temporäre Nahrungsknappheit oder ein Hochwasser.

Zusammenfassung

Die rechtliche Situation in Deutschland verbietet Tierquälerei, und das ist gut so! Angeln in guter fischereilicher Praxis ist KEINE Tierquälerei sondern hat viele positive Aspekte. Angler kennen „ihre“ Gewässer besser als kaum ein anderer und sollten im eigenen Interesse die Entnahme verantwortungsvoll und nachhaltig gestalten. Beide Extreme – alles entnehmen und alles zurücksetzen, ist falsch und aus biologischen, juristischen und ethischen Gründen abzulehnen!

Literatur

Hühn, D., & Arlinghaus, R. (2011). Determinants of Hooking Mortality in Freshwater Recreational Fisheries: A Quantitative Meta-Analysis. American Fisheries Society Symposium, 75. Download

Karremann, R. & Laiblin, R. (2004). Das Fischereirecht in Baden-Württemberg. 4.Stuttgart, Kohlhammer-Verlag.