Wenn jetzt, Anfang Juni, im Wetterbericht ein Gewitter für den frühen Abend angekündigt wird, steigt mein Puls. Ein herannahendes Gewitter löst häufig einen massiven Schlupf von Maifliegen aus und wenn es irgendwie geht, versuche ich am Wasser zu sein. Und unter all den guten Maifliegen-Tagen im Jahr gibt es meistens einen oder zwei Tage, die alles in Schatten stellen… Tage an denen mehr große Fische an der Oberfläche sind, als man den ganzen Rest des Jahres zu sehen bekommt.

Ist heute einer dieser Tage?

Das Wasser kocht, überall schlüpfen die Maifliegen. Ein regelrechter Teppich von Nymphenhüllen treibt auf dem Wasser. Und obwohl gerade noch die Sonne scheint, hört man hinter dem Berg schon ein mahnendes Donnergrollen… Langsam laufe ich das Ufer ab, lasse den Blick schweifen, halte inne um dem Geräusch eines großen Blob nachzugehen. Woher kam dieses Geräusch? Nicht selten stehen die guten Fische ganz am Rand, bewegen sich kaum aus der Uferdeckung heraus und man übersieht sie leicht.

Maifliege

Es ist einer dieser Tage!

Schon nach kurzer Zeit habe ich meine bislang größte Bachforelle in diesem Jahr im Kescher, was für ein wunderbarer Fisch in bester Verfassung, das Maßband zeigt 55cm! Während ich im flachen Wasser stehe und mich noch über den herrlichen Fang freue, ploppen überall um mich herum immer mehr Maifliegen aus dem Wasser. Und vor mir steigt schon die nächste große Forelle! Ein dunkel gezeichneter Fisch, der sich beim Fressen weit aus dem Wasser schiebt.

Kaum setzt meine Fliege aufs Wasser auf, verschwindet sie auch schon in einem Strudel. Mein Handgelenk ist noch vom letzten Fisch müde, aber innerlich bin ich etwas ruhiger. Zumindest bis mich ein scharfer Donner-Knall hinter mir daran erinnert, dass das Gewitter immer näher kommt. Hinter dem Hügel ziehen die Wolken schwarz und tief auf mich zu, der Wind frischt auf, die Stimmung wirkt schlagartig nicht mehr ganz so idyllisch.

Ein Sticker, den ich mal gesehen habe kommt mir in den Sinn. „Fish Or Die“ stand da drauf, und irgendwie hatte ich damals gedacht, das wäre eher im übertragenen Sinne gemeint… Aber jetzt, wo ich mit einem Blitzableiter in der Hand im Wasser stehe, hat dieser Spruch alle Metaphorik verloren. Gewitter sind Fluch und Segen zugleich, und ich bin mir zu 100% sicher, dass ich für keinen Fisch der Welt das Risiko eingehen möchte, gegrillt zu werden. Ich versuche den Drill abzukürzen, etwas mehr Druck zu machen als mir lieb ist, und es klappt glücklicherweise. Ein Traumfisch mit ebenfalls deutlich über 50cm, wunderschön gezeichnet! Noch schnell kurz ein Foto und dann nichts wie weg hier! Kaum sitze ich im Auto, geht die Welt unter. Aber was habe ich da gerade erlebt!? Zwei solche Forellen innerhalb weniger Minuten, das hatte ich noch nie! Gewitter sind magisch!