Am 16. Mai beginnt bei uns die Hechtsaison und wenn es irgendwie geht, versuche ich an diesem Tag ein paar Stunden am Wasser zu sein.
Wie schon das ganze Frühjahr, war auch dieser Tag kalt und windig, der Bach hoch und trüb. Hier auf Hecht zu fischen, brauchte schon ein kleinwenig Wahnsinn und eine große Menge Optimismus. Die Zahl an Hechten ist nicht sonderlich groß, aber die Zahl der potentiellen Unterständen schier endlos, und so wachsen diese Fluss-Hechte zuweilen unbemerkt zu recht ordentlichen Dimensionen heran.
Wo fischt man in so einem Bach auf Hecht wenn man nichts sieht?
Dass es in unserem Bach überhaupt Hechte gibt, weiss ich von meinen eigenen Fängen und weil ich insbesondere im Herbst, wenn das Wasser klar ist, gelegentlich mal einen Hecht gesehen habe.
Im Herbst und Frühjahr stehen die Hechte aber an völlig anderen Stellen, insofern muss man auf Details achten… wie z.B. die Verletzungen einer Forelle, die ich zwei Wochen zuvor gefangen hatte, denn die sahen schon ein wenig nach Hecht aus. Nicht 100%, aber doch besser als nichts wenn man auf der Suche nach Hechten ist… Aber war ein Hecht auch dort, wo die verletzten Forellen waren? Oder waren sie geschwächt in einen anderen Gumpen stromab gezogen?
Mit schwerem Gerät und allerlei Zweifeln bewaffnet, ging ich also an besagte Stelle und fischte mit einem großen Streamer die verdächtigen Spots ab.
Die Zeit verging, und Wurf um Wurf wuchsen die Zweifel. War es vielleicht doch keine Hechtverletzung? Und falls doch, fischte ich in der schnellen Strömung überhaupt in der richtigen Tiefe? Lief der Streamer zu hoch? Stimmten Größe und Farbe?
Ich wechselte meine Streamer durch, landete am Ende aber doch wieder bei dem großen Streamer mit dem ich begonnen hatte, zu ihm hatte ich das meiste Vertrauen… Das Wetter wurde immer windiger, ich blickte auf die Uhr. Schon gute anderthalb Stunden beackerte ich nun den Spot, von dem ich noch nicht einmal sicher war, ob dort wirklich ein Hecht war. Im Geiste war ich schon am einpacken, zu Hause gäbe es genug zu tun, ich könnte in der warmen Werkstatt sitzen… nur noch fünf Würfe… vermutlich zehn Würfe später (ja so ist das beim Fischen mit dem „letzten Wurf“), der Streamer kam am Ende der Drift gerade nach oben… WAMMM! in einer Wasserexplosion durchbrach ein Hecht plötzlich beinahe die Wasseroberfläche und zeigte mir seine volle Breitseite während er sich mit Wucht den Streamer packte. Völlig überrascht über den Biss war ich mir nicht sicher ob der Anschlag saß, zitterte bei den ersten Kopfstößen und Drehbewegungen des Hechts, aber der Haken saß offenbar gut. Gemessen an den Verletzungen der Forelle hatte ich mit einem Hecht im Bereich der 80cm gerechnet, dieser hier war deutlich größer!
Der Drill eines solchen Forellenfressers im schnellen, trüben Wasser ist keine einfache Sache, und ein wenig Glück gehört auch dazu! Jedesmal wenn der Hecht mit voller Kraft eine Flucht machte, musste ich ihn ebenso mit Kraft davon abhalten, in die Äste und Wurzeln zu ziehen, die überall im Wasser liegen. Ich betete, dass das Gerät halten würde – nichts ist ärgerlicher als ein geplatzer Knoten oder ein mieses Stahlvorfach. Ich versuchte ihn in der Hauptströmung zu halten, denn dort würde er schnell müde werden. Hechte können zwar für kurze Zeit hohe Geschwindigkeiten und große Kraft aufbringen, aber Dauerschwimmer sind sie nicht… und das war meine einzige Chance, diesen Fisch zu bändigen! Glücklicherweise hielt alles des Belastungen stand und am Ende eines nervenzehrenden Drills konnte ich den Hecht in den Kescher lotsen.
Der Hecht maß 102cm und wog über 9 Kilo, ein wirklicher fantastischer Fisch und eine riesen Überraschung an diesem trüben Tag! Und obwohl ich meinen Kindern immer sage „Geduld ist der beste Köder“, hatte ich an diesem Tag selbst nicht so recht an den Erfolg geglaubt.