Kürzlich konnten wir mit der Familie ein paar Tage im französischen Jura verbringen, diese Gegend hat es uns wirklich angetan. Eine wunderschöne Landschaft, gemütliche kleine Ortschaften, gutes Essen, Wein… und fischen kann man dort eben auch…
Dass wir in einer der heftigsten Hitzewellen der letzten Jahre dort landen würden, war natürlich nicht so geplant gewesen. Die großen Flüsse führten recht wenig Wasser und waren für meinen Geschmack viel zu warm. Wo früher auch in den großen Flüssen noch vereinzelt Forellen schwammen, gibt es heute nur noch Döbel und Waller, und gelegentlich ein paar Barben. Glücklicherweise sind die Oberläufe und Seitenbäche, die direkt aus dem Karstgestein kommen, bislang verschont geblieben. Sie schütten noch reichlich Wasser und sind knackig kalt. Die Schlucht, in der die Loue entspringt, ist landschaftlich sicher am beeindruckendsten.

Doch auch wenn das Wasser ganz wunderbar kalt plätschernd daherkam – an der Loue blieb ich erfolglos.

Meine Hoffnungen lagen wie schon in den Jahren zuvor auf einem der kleineren Bäche der Region. Am letzten Abend wollte ich dort nach dem Abendessen noch einen Versuch wagen, hatte mir untertags schon einen guten Abschnitt angeschaut… alles schien perfekt. Aber manchmal läufts dann einfach nicht. So wie ich schon gelegentlich das „Wunder des letzten Wurfs“ erleben durfte, obwohl ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, so lief hier fast alles schief, was schief laufen kann:

Es fing damit an, dass die Bedienung im Restaurant unser Essen vergessen hatte… irgendwie war der Zettel mit den Bestellungen nicht beim Koch angekommen. Statt um 7 kam ich erst um 8 Uhr abends los… es war der heisseste Abend des Kurzurlaubs, auch um 8 Uhr abends zeigte das Thermometer noch 30 Grad, keine idealen Angelbedingungen. Am sorgfältig ausgewählten Spot angekommen, traute ich meinen Augen kaum: genau hier stand bereis ein Fliegenfischer und knüpfte gerade eine Fliege an. Ein Teufelchen auf meiner Schulter riet mir, einfach zweihundert Meter weiter oberhalb einsteigen, obwohl man sowas eigentlich nicht macht…. das Engelchen auf der anderen Schulter protestierte lautstark, aber noch bevor einer die Oberhand erringen konnte, sah ich dass auch dieser Platz bereits belegt war! Nicht zu fassen! Was war denn heute los? Einen anderen Fischer hatte ich hier noch nie getroffen!

Kurzum beschloss ich, einen anderen Spot anzufahren, den ich zwar nicht kannte, der aber auf der Karte auch ganz interessant aussah. Ich stellte das Auto an einem Feldweg ab und ging zu der Flusskurve, wo die Strecke laut „geopeche.fr“ beginnen sollte. Ich war gerade dabei meine Fliege anzuknüpfen, als eine alte Frau mit einem riesigen Hund auftauchte, der sofort in den Gumpen vor mir sprang und mich anbellte. Die Dame meinte, ich hätte keine Erlaubnis hier zu fischen. „Doch, doch“, antwortete ich ihr auf französisch, ich rief ihr zu ich hätte die entsprechende Lizenz gekauft und mich auf der Landkarte versichert, dass hier der betreffende Abschnitt sei. „Nein, hier dürfen Sie nicht fischen“, sagte sie nur trocken, worauf ich zu ihr watete und ihr auf der Karte zeigte, dass ich die entsprechende Berechtigung hatte. Sie sagte, dass sei ihr Gewässerabschnitt, der noch einige Kurven weiter stromauf reichte, und sie hatte sichtlich überhaupt keine Lust in irgendeiner Form behilflich zu sein… Nun, am Ende hatten entweder die Dame oder „geopeche“ unrecht, aber ich sah keine Chance das zu klären und daneben noch Zeit zum Fischen zu haben, also stolperte ich am Bach entlang weiter stromauf und begann dann dort zu fischen wo die unfreundlich alte Dame gesagt hatte. Es war inzwischen recht schattig geworden, ich hatte vielleicht noch eine Stunde etwas Restlicht… aber immerhin stiegen in einem ruhigen Gumpen vor mir, unregelmäßig ein paar Fische.

Diese wiedersetzten sich aber hartnäckig allen Versuchen, sie anzuleinen. Ich wechselte die Fliegen durch… von meinen normalen CDC Eintagsfliegen hin zu kleinen Eintagsfliegen Größe 20, daneben Köcherfliegen in verschiedenen Größen, Ameisen… ich war ein wenig frustriert. Während mein Bekannter Tom Jakob neulich in einem Interview mit der Zeitschrift „Fliegenfischen“ sagte, dass der Fisch für das Gesamterlebnis bei ihm kaum eine Rolle spielt, ist das bei mir VÖLLIG anders! In dieser Hinsicht bin ich ein Junkie, das gebe ich offen zu… Ganz ohne Fisch macht mir Angeln keinen Spaß. An diesem Abend im Jura war ich an dem Punkt, wo jeder Fisch zählte. Selbst die kleinste Elritze hätte mich in dieser Situation glücklich gemacht. Aber auch wenn einmal ein Biss kam, die Fische hingen nicht… wahrscheinlich drehten sie doch irgendwie im letzten Moment ab, meine Fliegen überzeugten sie nicht.

Ich watete weiter zum nächsten Pool, doch hier das gleiche. Erst als ich eine dunkle, kleine Parachute anknüpfte, gelang es! Die erste kleine Forelle war eine Erlösung und wenig darauf biss auch schon eine etwas bessere, die sicher über 30cm hatte. Beide Forellen hatten die schöne, gestreifte Färbung wie sie typisch für die Jura-Forellen ist, und wegen der sie „Zebra-“ oder „Tigerforellen“ genannt werden.

Am letzten Gumpen vor dem Ausstieg stand ich dann im Flachwasser, wartend dass sich am Gumpeneinlauf nochmal ein Ring zeigte… da schwamm plötzlich eine kapitale Juraforellen mit sicher 45 Zentimetern länge seelenruhig auf mich zu, drehte etwa einen Meter vor mir in die Strömung und stand da kurze Zeit regungslos. Ich war wie vom Blitz getroffen, und versuchte irgendwie die Fliege vor ihr ins Wasser zu tippen. Aber sie drehte schon wieder ab, verschwand im Tiefen, und ließ sich nicht mehr blicken.

Diesmal also kein kapitaler Fisch in letzter Sekunde, den der Held mit stolz geschwellter Brust im Geiste nach Hause trägt… sondern ein aufgekratztes Irgendwas, das im Dunkeln zurück zum Auto schlurfte… Ich hatte das Gefühl, den Fehler finden zu müssen um mir selbst zu erklären, was da heute eigentlich schief gegangen war. Aber es gab nicht die eine Sache, die ich hätte anders machen können, um erfolgreich zu sein… heute wars einfach dumm gelaufen. Vielleicht hätte ich beim Zelt bleiben und den Abend genießen sollen…. andererseits, zwei Forellen hatte ich ja immerhin gefangen. Wenn sich die große Forelle nicht gezeigt hätte, wäre ich dann vielleicht sogar ganz zufrieden gewesen? Es ist verrückt wie nah die Gefühle von Sieg und Niederlage manchmal beieinander sind, und welche Kleinigkeiten darüber entscheiden.

Eine Woche später muss ich über meine eigene Reaktion schmunzeln, denn eigentlich war es ein spannender Abend, auch wenn er überhaupt nicht nach Plan lief. Und wenn alles gut läuft, bekomme ich im nächsten Jahr eine weitere Chance, hier einen großen Fisch zu fangen…

 

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