Beinahe hätte ich diesen Bericht wieder mit „…und alles war anders als im letzten Jahr“ begonnen. Tatsächlich scheint kein Jahr dem anderen zu gleichen, und wenn man meint, man hätte verstanden wann und wie die schönsten Forellen zu fangen sind, ist wieder alles anders. Veränderung ist die einzige Konstante, hat mal ein schlauer Mensch vor mehr als zweitausend Jahren gesagt, und das gilt für Gewässer natürlich ganz besonders.
Die Maifliegenzeit war also plötzlich da. Normalerweise ist die erste Juniwoche besonders gut, und früher oder später brodelt die Wasseroberfläche. Einen richtigen Massenschlupf habe ich dieses Jahr aber nicht erlebt. Es waren durchaus Maifliegen da, und auch nicht wenige. Aber noch ehe die Show so richtig begonnen hatte, war sie wieder vorbei. Eine Stunde am Tag, die man gut nutzen musste. Und in dieser Stunde versuchte ich am Wasser zu sein, was mir an einigen Tagen auch gelang. Einige schöne Fische konnte ich landen, an anderen biss ich mir die Zähne aus. Und einige verlor ich auch im Drill. Besonders wenn einmal ein Regenschauer oder ein Gewitter kam nahm die Aktivität zu, und ich konnte nur verwundert den Kopf schütteln, wo all die Fische plötzlich herkamen.
Ein besonders eindrückliches Erlebnis war folgendes: Die meiste „Action“ war schon vorbei, ich ging am Wasser entlang und stockte, weil ich plötzlich einen sehr großen Fisch über den hellen Sandgrund im Flachwasser schwimmen sah. Der Fisch drehte eine Runde, verharrte kurz unter einem im Wasser liegenden Ast, schwamm dann gemütlich am Rand stromauf. Ich warf ihm die Maifliege in den Weg, die Drift war super, aber es interessierte ihn nicht. Eine leichte Trübung und die spiegelnde Wasseroberfläche verhinderten, dass ich den Fisch permanent mit den Augen verfolgen konnte, und plötzlich war er weg. Ich wartete noch eine Weile, konnte mir aber nicht erklären, wo der Fisch hinverschwunden war. Ich lief stromauf und stromab, nichts.
Am nächsten Tag suchte ich diesen Spot wieder auf und scannte das Wasser, das inzwischen wieder deutlich klarer daherkam, aber es war kein großer Fisch zu sehen. Am Gegenufer, ein wenig oberhalb der Stelle, wo ich die Forelle zuletzt gesehen hatte, hing ein Busch weit ins Wasser hinein. Die Stelle schien mir sehr flach zu sein, aber als ich eine echte Maifliege in den Busch hineindriften sah, verschwand sie mit einem schmatzen. War der Fisch von gestern evtl. in diesem Gestrüpp verschwunden? Das dieser Standplatz, im relativ seichten Wasser eine große Forelle beherbergen konnte, kam mir unwahrscheinlich vor. Ich beobachtete noch eine Weile, und sah plötzlich auch eine Schwanzflosse, als ein großer Fisch unter dem Busch eine Kurve schwamm. DA WAR SIE!
Die Stelle war schwer anzuwerfen, aber die Herausforderung machte die Sache noch interessanter, als der Fisch es ohnehin schon war. Nun…. es klappte! Es war ein unglaublich schöner Moment, als die Forelle eine handbreit unter dem Busch hervorkam um meine hineindriftende Maifliege zu nehmen. Der Anhieb saß perfekt, und ich konnte sie glücklich in den Kescher bugsieren. Diese Momente machen die Maifliegenzeit unvergleichlich schön, so etwas erlebt man den Rest der Saison meist nicht mehr.