In einer Angelzeitschrift stand einmal der Satz, dass Graubünden mehr Kilometer Fließgewässer hat, als ein Angler in seinem gesamten Leben je befischen kann…. seitdem ist dieser Kanton für mich auf Augenhöhe mit dem sagenumwobenen El Dorado, und seitdem wollte ich unbedingt einmal hier fischen. Als Dani und Rolf sich meldeten und mich auf eine Tour ins Gebirge einluden, war die Gelegenheit gekommen!
Ein wenig Respekt hatte ich ja schon – mit ein paar einheimischen Bergziegen ins Hochgebirge kraxeln… komme ich da hinterher? Und mit der Angelei unter diesen Bedingungen hatte ich auch kaum Erfahrungen… aber für Erfahrungen gibts keine Abkürzung, man muss sie machen! Und deshalb freute ich mich sehr auf diesen Trip!
Freitag Abend fuhr ich über Chur das Tal hinauf, wo uns Dani im Surselva-Gebiet eine Unterkunft organisiert hatte. Vorfreude, Radio, freie Bahn und dann ein oder zwei oder so Willkommensbier bei der Ankunft! Die Nacht war kürzer als geplant (wer hätte es gedacht!).
Karge Seenlandschaft
Da wir mehrere Seen und Bäche ins Auge gefasst hatten, aber niemand von uns diese Gewässer kannte, schleppte ich alles mit auf den Berg, was irgendwie in Frage kommen konnte… vollbeladen aber zuversichtlich ging es weit hinauf über die Baumgrenze. Beim Aufstieg leuchteten die Berggipfel bereits hellorange während die Täler noch im Schatten lagen. Einzelne Nebelschwaden streuten das Licht der Morgendämmerung und gaben immer wieder neue Blicke auf die Bergwelt preis. Ich kam aus dem Staunen und Bewundern kaum heraus und musste permanent Fotos machen. Aber so etwas kann man einfach nicht festhalten, man muss es spüren, die kühle Morgenluft einatmen, genießen.
Der erste See lag eingezwängt wie ein Fjord zwischen den Felsen. Talin, der als einziger von uns mit der Spinnrute fischte, hatte bereits nach wenigen Würfen eine Forelle gefangen. Zwar klein, aber schön, und mit großen Fischen war aufgrund der Höhe auch nicht wirklich zu rechnen. Das Schonmaß für Salmoniden liegt hier bei 24cm! Und diese Gardemaße erreicht hier nicht jeder Fisch im Laufe seines Lebens! Auch ich hatte bereits bei den ersten paar Würfen Nachläufer auf Streamer, beissen wollten sie aber nicht. Im Irrglauben, dass NACHLÄUFER=GUTER KÖDER bedeutet, setzte ich zu lange auf diesen Köder… Ein gelegentlicher Irrläufer verhakte sich dann doch mal mit dem Maul an meinen Haken um sich dann aber sofort wieder loszuschütteln! Als „alter Hase“ beim Forellenfischen kratze das doch irgendwann an meiner moralischen Verfassung.
Erst am Mittag, nachdem ich alles andere durchprobiert hatte, stieg ich auf Trockenfliege um, wohl wissend, dass es bei völligem Fehlen von Oberflächenaktivität „für den A…lm-Öhi“ war.
Und plötzlich packte ein Fisch zu! Wie konnte das denn sein, und warum hatte ich das nicht schon vorher versucht… aber hinterher ist man eben immer schlauer. Und so konnte ich dann doch noch einen kleinen Seesaiblingen landen, während die anderen bereits mit einem Fuss auf dem Weg zum nächsten See waren. Mit der Trockenfliege lief es ab diesem Punkt dann wirklich gut, auch an den anderen Gewässern. Die Forellen in den Seen waren maximal um die 30cm groß. Rolf und ich fingen jeweils eine 29er während Talin mit der Spinrute als Einziger knapp die 30er-Marke knacken konnte. Den Forellen sah man deutlich an, wie hart das Leben hier oben sein musste, bzw. wie karg die Nahrung. Räuber gab es wohl keine, aber dafür kaum etwas zu fressen, bitterkaltes Wasser und ein halbes Jahr im Dunkeln unter einer Eisdecke.
Abwärts
Rolf stand am anderen Seeufer und rief irgendwas mit „Bach….blabla…rausch…Wind… runterfischen…“ oder so ähnlich. „Ja, ich bin bei allem dabei“, rief ich… und dachte dass er in die Runde geworfen hatte, ob wir uns jetzt langsam zurück ins Tal fischen? Ich hatte meine Fische gefangen, den Tag mental bereits erfolgreich beendet. Fische in diesem Rinnsal? „Egal, ich brauche keinen Fisch mehr.“… die anderen reagierten nicht so wirklich, ich lief aber zu Rolf hinüber, er packte er seine Sachen und wir kraxelten abwärts. Die anderen blieben. An einer etwas weiteren Stelle des Bachs schaltete Rolf auf Pirschmodus und legte seine „Royal Wulff“ aufs schnapsklare Wasser. Kaum hatte die Fliege das Wasser berührt, zappelte eine Forelle am Haken!!! Ich konnte es kaum fassen, wo war die denn hergekommen?!
War das ein Einzelfall, der berühmte lucky punch?
Er war es nicht! Der Rest des Tages war wie ein Rausch, es ging von Micro-Gumpen zu Micro-Gumpen und fast überall saugte augenblicklich eine Forelle die Fliege von der Oberfläche! Die Fische waren oft sehr eigentümlich gefärbt, je nach Standplatz. Von extrem dunkel-marmoriert bis golden-orange mit weissem Flossensaum war alles dabei.
Erst als wir am frühen Abend kurz auf einer Wiese Rast machten spürte ich die Erschöpfung. Ich war dermaßen platt vom Laufen, der Konzentration und der Höhenluft, dass ich beim Rückweg ziemlich stumm vor mich hintrottete. Wahrscheinlich lächtelte ich dabei, denn die Erinnerungen an diesen Tag werden mir noch lange Freude bereiten! „Bütscha la ritscha“, hatte Dani mir am Morgen gewünscht („Küss die Ritscha“), und die Wassergöttin hatte es an diesem Tag wirklich gut mit uns gemeint.
Vielen Dank an Dani für die Organisation dieses fantastischen Wochenendes!