27 Jahre ist es her, seit ich zuletzt saudischen Boden betreten habe… ich war noch nicht ganz 13 Jahre alt, als wir damals nach Deutschland zurückkamen, den Großteil meines Lebens habe ich in Deutschland verbracht. Doch Saudi Arabien hat seine Spuren hinterlassen – und das Rote Meer fließt heute noch durch meine Adern.

Legenden ranken sich noch immer um die vielen großen Snapper, die Barrakudas und Grouper, die unser Vater damals mit der Handleine fing. Mein erster Fisch, der mir als komplett „selbstgefangen“ aktiv in Erinnerung ist, war ein Hornhecht an der Stipprute. Und auch nach 27 Jahren führen Familienfeiern fast immer irgendwann an den Punkt, an dem wir uns fragen ob das Rote Meer noch immer so schön ist, und ob wir dort mit unseren heutigen Angelmethoden erfolgreich sein würden? Vergangene Trips hatten mich schon in den Oman und nach Ägypten geführt, um dort auf den Spuren meiner Vergangenheit zu wandeln, aber Saudi Arabien war bislang unmöglich, war unerreichbar.

Völlig unverhofft lockerte Saudi Arabien dann im letzten Jahr die Visabestimmungen und machte somit einen lang gehegten Traum möglich. Gemeinsam mit meinem Bruder startete ich zu dieser Reise, mit dem Ziel die alte Heimat zu besuchen und NATÜRLICH um dort fischen zu gehen – mein Bruder mit Spinnrute, ich mit der Fliege.

Zähe Verhandlungen

Von unserem Hotel aus fuhren wir die erste der Stellen an, die wir uns auf Satellitenbildern herausgesucht hatten.

Voller Enthusiasmus schnappen wir Taucherbrille und Schnorchel um erstmal einen Überblick über den Zustand der Riffe zu bekommen – doch kaum, dass wir im Wasser waren stand die Küstenwache da und wies uns darauf hin, dass Schwimmen nicht erlaubt sei, wir sollten mitkommen… entsprechende Hinweisschilder gab es tatsächlich, jedoch hatten wir sie mehr als Warnung denn als Verbot gesehen… und so begann die erste Episode von Vielen: mehrfach täglich hatten wir Diskussionen mit den örtlichen Vertretern der Behörden, OB und WANN und WIE wir das Wasser nutzen konnten. Für Viele begann das Schwimmen schon mit dem Betreten des Wassers, und so waren laaaaange Gespräche und zähe Verhandlungen nötig, um dann doch hier und da im Wasser stehend fischen zu können. Immerhin waren die Menschen mit denen wir zu tun hatten immer sehr freundlich, uns wurde arabischer Kaffee und Tee angeboten, Datteln und Mandeln dazu… die arabische Gastfreundschaft ist noch immer das, was sie früher war!

Fisch!

Als wir dann irgendwann endlich durchs kristallklare, knietiefe Wasser ans Riff wateten, waren wir im Glück. Der Geruch des Wassers, die

Fische, der Wind – kaum zu glauben, dass es so lange her sein sollte, seit wir hier zum letzten Mal waren, es war ein echtes Gefühl von heimatlicher Vertrautheit. Und die ersten Würfe brachten auch die ersten Bisse. An der Fliegenrute hatte ich zunächst Schwierigkeiten, die Bisse auch in Drills zu verwandeln – kleine Trevallies in allen Formen und Farben attackierten so rasant Streamer und Popper, dass ich mehrfach zu spät den Anschlag setzte.

Mein Bruder war an der Spinnrute jedoch schnell erfolgreich, seine Hornhechte und orange-spotted Trevallies zeigten uns schnell, dass wir hier richtig waren – und boten bereits einen guten Drill, auch wenn es sich noch um keine Riesen handelte. Ein komplett gelbes Exemplar eines Orange-Spotted T. war mein erster Fisch, zwar nicht groß aber deutlich kräftiger als viele der Fische, die mir bislang im Süßwasser begegnet sind.

Himmel und Hölle

Es ist schwer die nachfolgenden Tage in wenigen Worten zu beschreiben… „abwechslungsreich“ fällt mir dabei als eines der ersten Attribute ein, und das in jeglicher Hinsicht. Oft begannen die Morgenstunden mit spiegelglattem Wasser um am Mittag dann in eine gute Brise mit 20 Knoten umzuschlagen. Das Werfen mit der Fliegenrute wurde da teilweise zur sportlichen Übung: Rückhand-Doppelzug gegen den Wind, und dann Strippen was die Hände hergeben…. Ein guter Nachläufer fürs Adrenalin, und dann wieder völlige Flaute… Trevallies, die sich zu dritt den Streamer streitig machen, und am Ende KEINER hängt… Fische ohne Ende, und am Ende einen Rutenbruch… ein Wechselbad der Gefühle!

Am Abend war ich fix und fertig, bei der Heimfahrt im Sonnenuntergang brachte ich kaum ein Wort heraus, die Haut spannte vom Salz und vom Wind, und es waren einige Portionen gegrilltes Hähnchen, Shawarmer und diverse arabischen Vorspeisen nötig um die Kräfte wieder herzustellen!

Die Küstenabschnitte waren teils sandig, teils felsig, manchmal mit hohen Klippen über die man nicht hinunter ans Wasser kam.

Die Riffkante manchmal nur wenige Meter vom Strand entfernt um dann auf mehr als 50 Meter abzufallen, an anderen Stellen Lagunen und Flachwasserbereiche, das Riff zwei Kilometer entfernt.

Wir sahen Rochen und Makrelen, Papageienfische und Schildkröten… an zwei Abenden sogar einen Dugong (Seekuh). Das Rote Meer ist noch immer ein Paradies, doch gut gehütet: Jeder Meter der Küste wird bewacht und ohne viel Diplomatie, Zeit und etwas Arabisch steht man am Wasser und kann keinen Wurf machen! Auch wir wurden am vermutlich besten Spot irgendwann weggeschickt, und konnten kein zweites Mal dort fischen.

Erkenntnisse

Hart war dann zuweilen die Tatsache, dass mein Bruder mit der Spinnrute zahlenmäßig immer deutlich erfolgreicher war als ich mit der Fliegenrute. Wenn wir uns nach einigen Stunde wieder trafen, hatte er zuweilen schon 10 Fische gelandet, während ich nur einen vergeigten Biss zu vermelden hatte. Bis zur „Entschneiderung“ plagten mich anfangs doch gelegentlich Zweifel, ob das mit der Fliegenrute nicht irgendwie eine hirnrissige Idee gewesen war… Sowohl Wurfweite wie auch Wurffrequenz und Lockwirkung eines Wobblers sind deutlich höher als bei einem Streamer.

Unter diesem Aspekt würde ich meine Streamer beim nächsten Mal so binden, dass sie mehr Radau machen, mehr Wasser verdrängen… und auch mehr Popper mitnehmen. Dennoch stellte ich bald fest, dass große Fische auch immer wieder auf die Fliegenrute kamen, es brauchte nur den richtigen Standplatz und etwas Geduld. Und ich bin immernoch stolz auf jeden Fisch, den ich an den Haken bekam – ganz ohne fremde Hilfe, ohne Teaser, ohne Boot…

Reiche Fischwelt

Die Anzahl von Fischarten die wir in Saudi Arabien fingen, ist wohl höher als irgendwo sonst, wo ich bisher gefischt habe. Wobei „fingen“ in diesem Fall bedeutet, dass wir die Fische am Haken hatten – nicht zu verwechseln mit „landen“… denn auch in dieser Hinsicht ist der Saudi-Trip einmalig gewesen, ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Fische im Drill verloren zu haben!

Keine Chance

Diejenigen Fische, die einfach so gewaltig waren, dass ich nicht den Hauch einer Chance hatte, ärgern mich im Nachhinein nicht wirklich. Ein Barrakuda trennte mir das 80lbs-Fluorocarbon-Vorfach schon beim Biss – beim Anschlag spürte ich kaum noch einen Widerstand. Mein Bruder hatte diesen Barrakuda kurze Zeit später ebenfalls noch (ohne Erfolg) an der Leine – sein Hartplastik-Wobbler hatte hinterher 5mm tiefe Kerben! Die Kraft, mit der ein Barrakuda zubeisst, ist wohl nicht zu vergleichen mit dem was ein Hecht zu bieten hat. Die Ähnlichkeit der beiden Fischarten ist rein äußerlicher Natur, soviel weiss ich nun auch!

Meinem Bruder ging es ähnlich mit großen Snappern und einem unhaltbaren GT, der ihn achselzuckend zurückließ nachdem er ihm wahrscheinlich irgendwo in afrikanischen Küstengewässern die Schnur gekappt hatte.

Ärgerlicher war da schon ein großer Rotzahn-Drücker, der mich mit seiner Kraft und Dynamik dermaßen überraschte, dass ich völlig perplex zu wenig Druck machte. Der Drücker verdrückte sich hinter einem großen Stein, und war weg! Solche Situationen gab es immer wieder einmal mit verschiedenen Fischen – Stein umrundet, Schnurspannung weg, Fisch weg… oder einfach Fische, die so schnell auf einen zu schwammen, dass man mit dem Einholen der Leine nicht hinterherkam. Hier machte sich wahrscheinlich bemerkbar, dass wir komplett ohne Widerhaken fischten – erstens, um das Releasen zu erleichtern, zweitens, um keine größere Operation zu riskieren, falls man sich einmal selbst hakte. Sicher eine gute Entscheidung, auch wenn wir glücklicherweise keinen Haken-Unfall hatten.

Belohnung

Für unsere Ausdauer und Beharrlichkeit wurden wir am Ende aber auch mit mehr als nur der schönen Aussicht belohnt: Mein Bruder fing neben vielen Trevallies als Highlight einen Barrakuda mit etwa 1,15m! Ich selbst konnte einen sehr kräftig gebauten Bluefin Trevally landen, nachdem ich kurz zuvor ein ähnliches Kaliber verloren hatte. Dieser Bluefin ist sicherlich der mit Abstand stärkste Fisch, den ich je gefangen habe! Nur mit brachialem Dagegenhalten konnte ich verhindern, dass dieser Fisch in die Korallen zog und die Schnur kappte. Als ich diesen wunderschönen Fisch dann zu fassen kriegte und er mir in den letzten Sonnenstrahlen des Tages in blau-grün-irisierenden Farben entgegenleuchete, war ich im Glück! Ein herrlicher Fisch auf einen selbst gebundenen Streamer… Mission erfüllt, Urlaub gelungen! Besser hätte es nicht kommen können, ein großer Bluefin Trevally war alles auf das ich gehofft hatte!

Das neue Angelparadies?

Trevallies, Barrakudas, Grouper, Snapper…. ist Saudi-Arabien also das neue Angelparadies für einen DIY-Trip? DEFINITIV NEIN! Saudi  Arabien öffnet sich erst langsam für den Tourismus. Die Behörden und Menschen vor Ort wissen noch nicht so richtig, wie sie mit Touristen umgehen sollen. Einerseits gibt es kein etabliertes Prozedere und keine Infrastruktur für Touristen, andererseits haben die Vertreter von Grenzpolizei und Küstenwache große Sorge, dass den Touristen etwas zustoßen könnte. Sollte ein Tourist z.B. beim Rettungsversuch durch die Küstenwache eine Verletzung erleiden oder sogar ertrinken, wird dafür die rettende Person belangt. So ähnlich verhält es sich übrigens auch bei einem Autounfall: Wenn ich jemanden überfahre, auch wenn ich keinerlei Schuld trage, muss ich die Familie des Opfers entschädigen. Dieses Risiko will dort natürlich niemand eingehen, und man verlangt sehr viel von einem einfachen Angestellten der Küstenwache, wenn man ihm dieses Risiko aufbürdet, zumal die meisten Araber selbst nicht schwimmen können, sie sich also zusätzlich noch selbst in Gefahr bringen würden. Auch in Saudi-Arabien gibt es aber natürlich verschiedene Charaktere, dem Einen kann man es erklären, dem Anderen nicht. Der Eine ist kompromissbereit, der Andere nicht. Wer kein Wort Arabisch spricht und mit den Gepflogenheiten des Landes nicht vertraut ist, sollte dieses Wagnis (noch) nicht eingehen!

Tackle

Ein paar letzte Worte zum Tackle: Ich fischte fast ausschließlich eine 10er Hardy Demon SWS mit einer Hardy Ultralight SDSL 8000. Diese Rute lässt sich den ganzen Tag relativ ermüdungsfrei werfen. Als Schnur hatte ich meistens die schwimmende RIO GT mit 50lbs-Seele drauf, als Vorfach verschiedene Varianten von Varivas und Seaguar-Fluorocarbon. Beim Blindcasten am Riff (was 95% der Zeit ausmachte) hatte ich meistens 80 oder 100lbs-FC dran, was aufgrund der Korallen auch absolut nötig war! In der Lagune, bei kleineren Streamern und Poppern (mit kleinerem Hakenöhr) manchmal nur 50lbs, was leider nicht immer reichte und mir ein schöner Orange-Spotted Trevally an einer Koralle durchtrennte.