Noch in der Nacht vor der Abfahrt nach Slowenien saß ich bis nach Mitternacht am Bindestock um mich für alle Gelegenheiten zu rüsten. Ein paar Tipps und Warnungen hatte ich von meinem Freund und „Dealer“ Christan Kuchelmeister bekommen, der in Slowenien bereits viele Fliegenbinde-Wettbewerbe gewonnen und unzählige Flüsse und Bäche befischt hatte.

Er warnte mich, dass die Fische im extrem klaren, viel befischten Wasser sehr vorsichtig seien. Jegliches Gold, Glitter oder Flash waren zuviel… und so band ich dann über Tage hinweg eine Schachtel voll dezenter Variationen von Caddis- und Eintagsfliegenlarven in den Größen 14-18. Eine Box CDC-Trockenfliegen kam auch mit, auch wenn ich mir wenig Hoffnungen machte, eine Marmorata an der Oberfläche zu erwischen.

Ankunft

Als wir dann nach langer Fahrt am Anreisetag das erste Mal über eine Brücke der Soča fuhren, blieb mir fast die Luft weg vor Staunen und Ehrfurcht. Was für ein Wasser! Was für eine Kulisse! Das Gefühl beim ersten Anblick dieses Flusses lässt sich kaum in Worte fassen, es war eine Mischung aus endlich-nach-Hause-kommen, im Petersdom mit Liv Tyler Mittagessen, und die Gitarre von Jimi Hendrix spielen dürfen.

Aber meine Hoffnungen auf eine große Marmorata wichen da auch schlagartig der bescheidenen Hoffnung, überhaupt irgendetwas zu fangen. In diesem klaren Wasser, bei einer solchen Strömung und Wassertiefe… das würde seeeehr schwierig werden!

Der nächste Tag war Ausflugstag. Mit der Familie schauten wir uns einige Highlights im Soča-Tal an, wie z.B. die Soča-Schluchten, an denen sich die Soča mit senkrechten Wänden tief in den Kalkstein gegraben hat. Ein wirklich spektakuläres Bild, auch wenn dort relativ viele Menschen unterwegs  waren. Aber dort sah ich auch die ersten Fische, und zwar nicht gerade wenige!

Lehrstunden

Am folgenden Tag ging es dann los… und mit der Polbrille waren dann auch in fast jedem der smaragdfarbenen Pools schöne Fische zu sehen, die sich auf dem hellen Untergrund gut abzeichneten. Und obwohl ich mir die Angelei schwierig vorgestellt hatte, war ich doch sehr verblüfft, das ich zunächst einmal VÖLLIG IGNORIERT wurde! Ich probierte nahezu alle Nymphen-Variationen aus, und ging auch mit dem Vorfach noch auf ein 0.117er Riverge FC herunter, aber das änderte nicht viel. Ich konnte das irgendwie nicht recht glauben und verplemperte hier viel zu viel Zeit mit ausprobieren… die Fische in den großen Pools blieben mir aber ein Rätsel.

Etwas desillusioniert watete ich weiter stromauf, dem Punkt entgegen wo mich meine Frau wieder abholen wollte. Auf einem eher flachen, schnellen Abschnitt sah ich dann einen hellen, leicht grünlich-grauen Fisch vor einem Stein stehen… sehr gut getarnt über dem steinigen Grund, und wenn er sich nicht bewegt hätte, wäre ich vielleicht vorbeigegangen. Eine Marmorata! Ich pirschte mich von hinten an den Stein heran und überwarf ihn an kurzer Leine mit der Nymphe…. Ohne Reaktion. Ich wiederholte den Wurf mehrfach, und war mir nicht immer sicher ob die Nymphe optimal driftete – die kleine Nymphe war beim Absinken kaum zu sehen und mit Indicator fische ich grundsätzlich nicht… aber der Fisch zuckte kein Bisschen, auch er ignorierte die Nymphe. Erst als ich eine sehr dezente, kaum beschwerte Nymphe angebunden hatte, die mir bislang zu leicht erschienen war, gab es eine Reaktion – und der Fisch hing! Ich war so überrascht, und der Fisch an so kurzer Leine, dass der Drill recht albern ausgesehen haben muss. Die Marmorata tänzelte um mich herum, sprang mehrfach, und KNACKTE DAS VORFACH! Allerlei fürchterliche Blitze durchzuckten mein Sprachzentrum, schafften es aber glücklicherweise nicht an die frische Luft.

Etwas geknickt ging ich weiter, das wäre mein Fisch gewesen! Die EINE Marmorata, die den Urlaub kürt, auch wenn sie kein Riese war – ich schätzte sie auf etwa 40 Zentimeter.

Erste Erfolge

Aber wieder einmal gaben sich die Götter gnädig, und eine viertel Stunde später und hundert Meter stromauf sah ich wieder einen ähnlichen Fisch im Flachen stehen, ganz nah am Ufer – wieder eine Marmorata. Mit einer identischen Nymphe wie beim letzten Fisch gelang es mir dieses Mal schon beim ersten Wurf…. Und diesmal war ich besser darauf vorbereitet. Dennoch, die Kampfkraft der Marmoratas in dieser starken Strömung ist erstaunlich! Aber diesmal endete der Drill trotz einiger dynamischer Fluchten glücklicherweise erst im Kescher! Welch eine Erlösung! Was für ein wunderschöner Fisch! Diese Zeichnung, diese perfekten Flossen… ein Traum!

Nachdem ich die Marmorata vorsichtig abgehakt und ein Erinnerungsfoto geschossen hatte, lief es plötzlich. Ich hatte das Rezept wohl gefunden. Eine weitere Marmorata gab es zwar nicht mehr an diesem Abend, aber ein paar schöne Regenbogenforellen konnte ich auch noch mit der Nymphe überlisten.

Alles in allem ein sehr lehrreicher Tag mit einigen schönen Fischen. Aber mir dämmerte auch, dass ich in diesem Wasser mit der Nymphe und einem entsprechend dünnen Vorfach, KEINE CHANCE haben würde, einen wirklich kapitalen Fisch zu landen…. und mal im Ernst, auf Lachs oder Huchen fischt man ja eigentlich auch nicht mit 0.12er Vorfach?

Also beschloss ich für Tag 2 einen Taktikwechsel: Mit der 10er Rute und Huchenstreamer, wollte ich es wissen! Am dritten Tag (ich hatte eine 3-Tages-Karte gelöst) würde ich dann hoffentlich schlauer sein und konnte die erfolgreichere Taktik nochmals mit mehr Gewässerkenntnis einsetzen.

Fortsetzung folgt…